Um direkt mit dem Wichtigsten zu beginnen: Wir wissen derzeit noch nicht, ob wir unser ehrenamtliches Engagement für die Kempener Altstadt fortsetzen. Da wir in den vergangenen Jahren eine so gigantische Unterstützung aus der Kempener Bevölkerung erfahren haben, möchten wir euch jedoch an unseren Überlegungen teilhaben lassen und erklären, wie es in der Kempener Altstadt so weit kommen konnte.

Warum die Geschehnisse rund um Ellenstraße 15 eine Zäsur sind.

Wir erinnern uns: Die Mitglieder des Kempener Denkmalausschusses haben die Pläne zum Abriss und Neubau von Ellenstraße 15 einhellig zurückgewiesen. Nun gingen Verwaltung, Bauherr und Architekt zwar erneut mit leicht geänderten Plänen in den Ausschuss, was korrekt ist, doch sie bedienten sich eines manipulativen Zwischenschritts, der zu Recht auf massiven Widerstand bei uns, der SPD, den Freien Wählern und der Linkspartei stieß. Um dies und die damit verbundenen Zweifel am Fortbestand unserer Initiative zu verstehen, müssen wir den Blick ein paar Jahre zurück richten – zum Vorgehen rund um Peterstraße 20.

Wieso Denkmal- und Bau- bzw. Planungsentscheidungen vollkommen losgelöst voneinander getroffen werden müssen.

Damals sollte im gemeinsamen Bau- und Denkmalausschuss in nicht-öffentlicher Sitzung über den Abriss des Denkmals entschieden werden. Da sich der Denkmalschutz am öffentlichen Interesse begründet, der Bauausschuss jedoch zum Schutz der Privatsphäre des Bauherren oft nicht-öffentlich tagt, existierte ein gewaltiger Interessenskonflikt. Außerdem müssen in Deutschland denkmalpflegerische Entscheidungen im ersten Schritt losgelöst von sachfremden d. h. planerischen, nutzungsorientierten oder finanziellen Überlegungen getroffen werden, denn sonst würde der Denkmalaspekt im Abwägungsprozess immer verlieren. Schließlich konnten wir unsere Forderung durchsetzen und die Fraktionen des Stadtrats stimmten unter dem großen Druck der Öffentlichkeit und unserer Initiative der Trennung von Denkmal- und Bauausschuss zu.

Investoreninteressen durch die Hintertür

Was vor ein paar Jahren noch galt, hat heute leider keine Bedeutung mehr. Wie sonst ist es zu erklären, dass Verwaltung, Investor und Architekt es nun doch wieder schaffen, den Prozess zu verwässern und nicht-denkmalrelevante Argumente einzubringen? Die Mitglieder des Denkmalausschusses waren zu kritisch? Dann mischt man eben Mitglieder des Denkmalausschusses mit Mitgliedern des Planungsausschusses und nimmt einen Repräsentanten einer Marketingfirma als Fürsprecher des Einzelhandels hinzu! Es gibt keinen gemeinsamen Ausschuss mehr? Dann nennen die Beteiligten es eben kurzerhand Workshop. Die Experten des LVR könnten Gegenargumente liefern? Dann lädt man eben ohne Rücksicht auf anderslautende Absprachen und ohne Alternativtermin in den Sommerferien ein. Die Öffentlichkeit könnte sich kritisch äußern? Dann liefert man schnell das Argument des Daten- und Investorenschutzes, schließlich nehmen Architekt und Bauherr ja auch teil! Klingt wie die unsäglichen Vorgänge rund um Peterstraße 20? Genau! Ist auch dasselbe Vorgehen mit anderem Namen. Denkmal- und Planungsausschüsse werden vermischt und die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wurde anschließend unter den Teilnehmern dieser „Kungelrunde“ (Zitat Günther Solecki, Linkspartei) Stillschweigen vereinbart. Wir haben nach einer Begründung gefragt und uns wurde gesagt, man wolle verhindern, dass die Ergebnisse zerredet würden. Zerredet? Das nennt man öffentliche Debatte! Und ein Thema, das den Denkmalbereich der historischen Altstadt betrifft, gehört genau dorthin: in die öffentliche Debatte. Und eben nicht nur in den paar Minuten in den Denkmalausschuss, in dem die entsprechende Entscheidung getroffen wird.

Wie wurde entschieden?

Lobend zu erwähnen ist, dass die SPD-Fraktion, die Freien Wähler und die Linkspartei sich nicht haben vorführen lassen. Sie haben sich dieser „Kungelrunde“ verweigert und deutlich gemacht, dass sie für diese Art der Hinterzimmerpolitik nicht zu haben sind. Die anderen Fraktionen der CDU, der FDP und der Grünen wehrten sich dagegen. Entschieden sei nichts, es hätte auch nur ein Austausch stattgefunden.

Die Pointe lieferte dann die vergangene Sitzung des Denkmalausschusses, in der die Planung mit den Stimmen der Fraktionen durchgewunken wurde, die an der „Kungelrunde“ teilgenommen haben. Die Fraktionen der SPD und der Freien Wähler lehnten diese weiterhin ab und kritisierten das Vorgehen scharf. Auch die Linke äußerte sich ähnlich, hat aber im Denkmalausschuss kein Stimmrecht.

Nichts entschieden, ein loser Austausch? Die Fakten und das Abstimmungsverhalten sprechen eine andere Sprache.

Darf man in der Kempener Altstadt alles abreißen? Ist der Denkmalbereich nicht geschützt?

Auch darüber muss aufgeklärt werden. Grundsätzlich ist der Denkmalbereich 1 (alles innerhalb des Innenrings) geschützt, Einzeldenkmäler ohnehin. Doch die Stadt Kempen hat 1990 entschieden, dass Baurecht in Kempen Vorrang vor Denkmalrecht hat. Das heißt: Alles was der Bebauungsplan erlaubt, kann der Bauherr letztendlich auch einklagen. Die Altstadt wird immer verlieren. Dass eine Änderung dieser Praxis oder eine Änderung des Bebauungsplans dringend angebracht wäre, um die wenige historische Substanz, die verblieben ist (siehe nächster Absatz) noch zu schützen, steht für uns außer Frage. Wir haben auch ein Konzept für die Altstadt gefordert, bspw. einen Denkmalpflegeplan, der diese Funktion je nach Ausprägung mitübernehmen könnte, doch ein entsprechender Antrag wurde abgelehnt. Schließlich, so hieß es, existiere das Konzept der Altstadtsanierung. Stimmt! Und es ist aus den 1970er Jahren. Damals gab es das Denkmalschutzgesetz noch nicht, es wurde verabschiedet im Jahre 1980, erst ab 1983 entstand die Kempener Denkmalliste! Schon in Zeiten der Sanierung haben infolge der angesprochenen Bebauungspläne (10 Bebauungspläne wurden zwischen 1968 und 1980 rechtsgültig) zahlreiche Abrisse und Umbauten stattgefunden, wurde die Altstadt nachhaltig verändert.

Widersprüche zwischen Planungsvorstellungen der 1970er Jahre, die Grundlage der Bebauungspläne und des Denkmalschutzes wurden nicht aufgelöst. Auch die von uns geforderte Einrichtung eines Denkmalbeirats, besetzt mit Experten zur Erarbeitung neuer Planungsgrundsätze, die den Schutz der historischen Bausubstanz und moderne Nutzungsansprüche als Grundsätze der künftigen Stadtentwicklung in Einklang bringen, wurde abgelehnt.

Aber die Einzeldenkmäler werden doch erhalten?

Sollte man meinen! Doch auch dies gilt für Kempen leider nicht. Allein in den letzten Jahren wurden die Denkmäler Peterstraße 20 und Judenstraße 13 abgerissen. Die Fassade von An-St.-Marien 9 wurde außerdem mit fadenscheinigen Brandschutzargumenten entstellt. Auf unseren Hinweis in der entsprechenden Sitzung, dass der Brandschutz mit einem Dachflächenfenster möglich wäre und die historische Fassade somit erhalten bleiben könne, musste die Verwaltung dies eingestehen. Bei sämtlichen dieser Maßnahmen handelt es sich um Denkmäler, immer lehnten die Experten des LVR diese Maßnahmen ab – und immer setzten sich Verwaltung und Bauherren mit ihren Abrissplänen durch.

Was von der Kempener Altstadt noch übrig ist.

Nun könnte man meinen, die Altstadt hält dieses Vorgehen aus. Immerhin ist noch viel historische Substanz vorhanden, doch wir sollten uns alle nicht täuschen lassen. Laut dem Kempener Historiker Dr. Hans Kaiser existierten nach dem Zweiten Weltkrieg noch rund 200 Häuser im Bereich der heutigen Kempener Altstadt. Diese Zahl ist über die Jahre immer weiter zusammengeschmolzen. Die überwiegende Zahl der Gebäude ist viel jünger. Um genau zu sein: Nur noch rund 100 Häuser im Bereich der historischen Altstadt sind wenigstens aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Anzahl der Gebäude wurde mehr als halbiert und jedes Jahr verliert die Kempener Altstadt mehr und mehr historische Substanz. Kein Wunder, denn so lange es erlaubt ist, abzureißen und höher und mit zusätzlichen Geschossen neuzubauen, wird sich der Abriss immer lohnen – gedeckt von der Kempener Verwaltung. So auch aktuell wieder und man kann jeweils die Uhr danach stellen. Kaum ist Ellenstraße 15 zum Abriss freigegeben, kommen Buttermarkt 10 und das Burgcafé in die Abrissdebatte. Auch hier stört der LVR wieder mit dem Hinweis, dass die historische Substanz und die Atmosphäre mit der kleingliedrigen Bebauung erhaltenswert seien. Doch wir sind uns sicher, auch hier wird wieder ein Blick auf die ungepflegte Fassade genügen, um den Abriss durchzuwinken.

Nochmal in aller Deutlichkeit: Das Abrisstempo steigt. Zu den Abrissen und Bausünden an den Denkmälern Peterstraße 20, Judenstraße 13 und An St. Marien 9 gesellen sich die Abrisse der historischen Substanz der Gebäude rund um Peterstraße 20, des alten Gemäuers Spielwaren Stein, Ellenstraße 15 und demnächst Buttermarkt 10 und Burgcafé.

Und wir erinnern uns: Auch die Burg wäre die Verwaltung lieber heute als morgen losgeworden. Denkmalschutz scheint in Kempen nur ein lästiger Klotz am Bein zu sein. Wie die Sanierung der Schulen, wie die Schaffung von Kita-Plätzen, wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, wie die Arbeit mit Fördergeldern …

Wie geht es mit Denkmal an Kempen weiter?

Wir wissen es nicht. Das Vorgehen rund um die Kempener Altstadt ist dermaßen dreist und maßlos, dass wir den Fortbestand der Initiative kritisch sehen. Bisher haben wir informiert, um Wissensdefizite auszugleichen. So bspw. rund um Peterstraße 20 und die Trennung der Ausschüsse. Jetzt liegen die Fakten aber auf dem Tisch und das Vorgehen lässt sich nicht mehr mit Unwissenheit entschuldigen.

Dass denkmalpflegerische Belange anderen Überlegungen untergeordnet werden, ist erkennbar an dem Umgang mit dem Gebäude der ehem. Gaststätte „zum Bergwirt“ an der Kerkener Straße in der Nähe der Alten Wache. Auch hier soll ein Abriss und Neubau erfolgen. Der Grundsatzbeschluss erfolgte jedoch nicht im Denkmalausschuss, der zuständig ist wegen der Lage des Vorhabens im Denkmalbereich 2, sondern im Planungsausschuss. Ein Blick über den Tellerrand nach Tönisberg zum Zechengelände zeigt, dass auch dort wegen eines Mangels an Ideen und Einsatz der Verantwortlichen trotz des unglaublich kräfteraubenden Engagements von Ehrenamtlern nicht vorangeht und kostbare Zeit verstreicht.

So wie bisher wollen wir jedenfalls nicht weiterarbeiten. Die Überlegungen reichen von Aufhören über Vereinsgründung bis zur Liste, um bei der nächsten Wahl anzutreten und den Aspekten von Denkmalschutz und nachhaltiger Entwicklung unserer liebenswerten historisch gewachsenen Stadt Nachdruck zu verschaffen.