Das Thema Denkmalschutz spielte im Kommunalwahlkampf 2014 durchaus eine Rolle, es gab sogar Plakate mit entsprechenden Botschaften. Auslöser waren die damaligen Auseinandersetzungen zu den drohenden Abrissen des eingetragenen Denkmals Peterstr. 20 in der Altstadt und des Zechenturms in Tönisberg. Bürgerinitiativen bildeten sich und konnten in der Folge zumindest Teilerfolge erringen.

Ein Erfolg der Bürgerinitiative „Denk mal an Kempen“ war die Umsetzung ihrer Forderung nach Bildung eines eigenständigen Denkmalausschusses, nachdem der Denkmalschutz für 20 Jahre dem Bauausschuss als Bau- und Denkmalausschuss zugeordnet war.  Aspekte des Denkmalschutzes, so forderte die Initiative, sollten frei von sachfremden Überlegungen und konkurrierenden Interessen angemessen berücksichtigt und diskutiert werden, so dass fundierte Entscheidungen im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung im Bewusstsein ihrer historischen Bedeutung ermöglicht würden. Der Denkmalbereich sollte in der politischen Diskussion und in der öffentlichen Wahrnehmung die seiner Bedeutung für Kempen entsprechende Berücksichtigung erfahren, Aspekte des Denkmalschutzes sollten in Abwägungsprozessen angemessen gewürdigt werden.

Den Vorsitz im neuen Denkmalausschuss sicherte sich die CDU, der stellvertretende Vorsitz entfiel auf die Grünen. Die nun zu Ende gehende Ratsperiode hatte eine Rekordlänge, war mit 6 Jahren um 1 Jahr länger als die vorhergehenden und die künftigen. Eigenständigkeit und mehr Zeit denn je – hervorragende Voraussetzungen etwas zu bewegen.

24 Sitzungen fanden statt, fünfmal wurden Sitzungen mangels Beratungsbedarfs abgesagt. Vier Besichtigungstermine an 6 Orten wurden durchgeführt. Zu 2 Workshops kamen Vertreter des Ausschusses und der Verwaltung zusammen mit Investoren und Architekten, begleitet von einem Planer. Neben den ständigen formalen Tagesordnungspunkten wurden in den 23 Sitzungen insgesamt 61 besondere Tagesordnungspunkte beraten.   Davon entfielen alleine auf die Sitzung vom 23.2. 15 zehn TOP.  Siebenmal ging es nur um einen Beratungspunkt, ebenso oft um zwei. Sieht man einmal ab von dem Thema Zechengelände, beschäftigte man sich fast immer mit Projekten im Kempener Altstadtbereich. Nur in einem Fall ging es um eine Maßnahme im Außenbereich, der Bodendenkmalpflege begegnete der Ausschuss nur indirekt, beiläufig und meist nachträglich im Zusammenhang mit Bauvorhaben.

Nur in drei Fällen wurde, wie es bei Auftrags- oder Vertragsangelegenheiten die Geschäftsordnung verlangt, nichtöffentlich beraten. Die entsprechende Forderung von „Denk mal an Kempen“ nach Transparenz wurde damit, wenigstens in Bezug auf Ausschusssitzungen weitgehend erfüllt. Einige Themen wurden mehrfach beraten, besonders häufig die Zechenanlage in Tönisberg, die in insgesamt 10 TOP behandelt wurde. So schmelzen die vorgenannten 61 TOP auf eine Nettoanzahl von 42 zusammen.

Zentrale Forderungen der Initiative waren die Aufstellung eines Denkmalpflegeplans, die Einrichtung eines Denkmalbeirats, besetzt mit unabhängigen Experten, und die Überarbeitung der Denkmalliste. Diese Forderungen wurden in den ersten beiden Sitzungen durch die Ausschussmehrheit abgeräumt. Ähnlich wäre es dem Anliegen der Tönisberger Zechen-freunde ergangen, den Zechenturm und 3 Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Bereits seit 2001 Jahren lag der Verwaltung ein Gutachten von Prof. Dr. Walter Buschmann (LVR) zum Erhalt der Anlage vor, das dem Ausschuss und der Öffentlichkeit vorenthalten wurde. Trotz einer Teilnahme mit einer ebenso eindringlichen wie eindeutigen Fürsprache von Prof.  Buschmann, einem der Retter der Zeche Zollverein, hatte noch der Vorgängerausschuss eine Unterschutzstellung abgelehnt. Der neue Ausschuss folgte dieser Linie und beschloss noch einmal gegen die Stimmen von SPD und Grünen, den Antrag auf Unterschutzstellung abzulehnen. Ein Ministerentscheid machte die Blamage für Verwaltung und Ausschussmehrheit komplett. Die Zukunft der Anlage wurde immer wieder thematisiert und darf auch nicht aus den Augen geraten, obwohl sie nun mit Wolf-Reinhard Leendertz, so ist zu hoffen, in den Händen eines ambitionierten, kreativen Investors und Entwicklers von Industrieanlagen ist. Die Verantwortung der Stadt und des künftigen Ausschusses, gerade auch wegen der peinlichen Vorgeschichte, bleibt. Der „Verein der Zechenfreunde“ befindet sich in der Liquidation, der „Denk mal an Kempen e. V.“ wird den Prozess der Entwicklung von Niederberg 4 aufmerksam begleiten.

„Ausrichtung der Arbeitsschwerpunkte und Verfahrensabläufe zur denkmalgerechten Entwicklung der historischen Altstadt“ hieß der erste besondere Beratungspunkt des neu gebildeten Ausschusses. Hier sollte reagiert werden auf Diskussionen im Zusammenhang mit dem geplanten Abriss des unter Schutz stehenden Gebäudes Peterstr. 20 und Forderungen politischer Parteien und insbesondere der Bürgerinitiative „Denk mal an Kempen“. Verwiesen wurde auf Zuständigkeiten und geltendes Planungs- bzw. Denkmalrecht. Vielsagend formulierte die Verwaltung darüber hinaus in der Vorlage: „Sanierungsvorhaben dürfen nicht blockiert werden, sondern Chancen zur Realisierung attraktiver Einzelprojekte müssen genutzt werden.“  In diesem Satz spiegelt sich genau die Konfliktlinie wider, die über viele Jahre den denkmalpflegerischen Diskurs in Kempen in zwei Lager teilt. Auf der einen Seite die Sichtweise, dass es punktueller Sanierungsmaßnahmen bedarf, um „Missstände“ zu beseitigen. Auf der anderen Seite steht die Überzeugung, dass es eines planvollen Handelns auf der Grundlage eines von Experten (Denkmalbeirat) begleiteten Gesamtkonzeptes (Denkmalpflegeplan) bedarf. Seit vielen Jahren sind Baukräne steter Bestandteil der Stadtsilhouette. Daran hat sich nichts geändert und wird sich wohl nichts ändern.  „Attraktive Einzelprojekte“ waren immer wieder Anlässe zu Beratungen im Ausschuss. Zweimal wurden Baulücken geschlossen, neunmal wurden Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, zehnmal ging es um Abriss und Neubau, immer ausgehend von Investorentätigkeiten und Bauabsichten, immer in Verbindung mit einer Höherentwicklung an dem betroffenen Standort. Kempen ist attraktiv. Wohnraum in der Kempener Altstadt erfreut sich einer großen Wertschätzung, die Nachfrage ist groß, die Preise entsprechend. Daher gilt es, am jeweiligen Standort möglichst viel Wohnfläche (in der Regel Eigentumswohnungen) zu generieren. Mithilfe von Dachlösungen wie Mansarddach oder Krüppelwalmdach wurde quasi Viergeschossigkeit erreicht, wo einst kleinere Häuser mit Satteldach das Straßenbild prägten.  Beschrieben werden die von Kritikern als wuchtig oder klotzig empfundenen Neubauten als gefällig, oft aber auch als kitschig, verwechselbar oder als nicht typisch für Kempen. Stellungnahmen der Landeskonservatorin setzten sich wiederholt kritisch mit Fragen der Bautiefe, der Dach-gestaltung oder Maßstäblichkeit auseinander.

Positiv zu bewerten sind die durchgeführten Workshops wegen der sensiblen und sachkundigen Begleitung von Herrn Prof. Wachten und besonders im Falle Ellenstr./Ecke Hessenwall wegen der offenen und konstruktiven Zusammenarbeit mit den Investoren. Diese hatten anders als die Nachbarn, die, an der Anschlussbebauung erkennbar, nicht in vollem Maße von den Möglichkeiten Gebrauch machten, die der Bebauungsplan eröffnet.

Drei Beigeordnete, drei Denkmalpfleger*innen, zwei Ausschussvorsitzende – personelle Fluktuation prägte den Ausschuss, nicht zuletzt auch wegen der unterschiedlichen Heran-gehensweisen. Dem langjährigen Denkmalpfleger folgte nun wegen der kommissarisch notwendigen Besetzung eine stärkere Zuordnung der Aufgabe zum Planungsamt. Als auch der neue technische Beigeordnete, der im Planungsbereich seine Meriten erworben hatte, zuständig wurde, erhielten planerische Aspekte Dominanz, gerieten andere Aspekte ins Hintertreffen. Projekte wurden gesplittet und neben dem Denkmalausschuss auch im Planungsausschuss behandelt. Begründung beim Bauvorhaben Kerkener Str. 7-9 (Zitat Beig. Beyer): „Während Gestaltungsfragen sicher eher Angelegenheit des Denkmalausschusses seien, gehe es hier im UPK vor allem um die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans… .“

Das Denkmalschutzgesetz NRW stammt aus dem Jahr 1980. Es definiert das öffentliche Interesse an Erhalt und Nutzung von Gebäuden, Teilen oder Mehrheiten davon, von beweglichen Denkmälern oder Bodendenkmälern als Zeugnisse der Geschichte unter verschiedenen Aspekten. Der Terminus Gestaltung kommt dort nicht vor. Die Aufgabe, für Kempen eine Liste dieser historischen Zeugnisse zu erarbeiten, eine Denkmalliste zu erstellen, übernahmen der damalige Leiter des Kramer-Museums Dr. Carsten Sternberg und sein Kustos Werner Beckers. Zuständiger Ausschuss wurde der Kulturausschuss als Kultur- und Denkmalausschuss. Die Denkmalliste wurde durchaus unterschiedlichen bau-, siedlungs-, kultur- oder sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten gerecht. Der Diskurs im Ausschuss nahm diese Vielfalt durchaus in den Blick. Die Verschiebung der Zuständigkeit in den technischen Bereich hat im Laufe der vergangenen nunmehr fast 4 Jahrzehnte zu einem Wechsel der Perspektive geführt. Dieser Prozess konnte nicht, wie es sich die Bürgerinitiative erhofft hatte, durch den eigenständigen Ausschuss umgekehrt werden.

Im Zusammenhang mit der Altstadtsanierung wurden ab 1967 Bebauungspläne für die Altstadt erlassen. Mehr als zwanzig Jahre später entstanden in der Zusammenarbeit von Planungs- und Denkmalamt Satzungen für die beiden Denkmalbereiche. Mehrfach wurden im Ausschuss Widersprüche der für die Altstadt grundlegenden Bestimmungen festgestellt. Zudem sind seit der Sanierung mehr als fünf Jahrzehnte ins Land gegangen. Das in der Zeit von Stadtdirektor Hülshoff in Kooperation mit den Eheleuten Zlonicky erarbeitete Sanierungs-konzept ist das letzte städtebauliche Gesamtkonzept für die Kempener Altstadt. Auf Antrag der SPD-Fraktion wurde 2018 die „Erstellung eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes für die historische Altstadt“ beschlossen. Die Beauftragung eines Planungsbüros ist bislang nicht erfolgt.

Kurt van Doorn fragte wegen der sehr dünnen Tagesordnung in der Einwohnerfragestunde der letzten Ausschusssitzung, ob man den Ausschuss „aushungern“ wolle. Die Frage wurde selbstverständlich verneint. Die Antwort auf die kritische Frage müsste sicherlich kritischer ausfallen. Die lange Rats-periode wurde nicht genutzt. Seit den Ereignissen um Peterstr. 20 sind sechs Jahre ins Land gegangen und für den Verein „Denk mal an Kempen e. V.“ bleibt als Fazit, dass die Kernforderungen der damaligen Initiative weiterhin gestellt werden müssen. Gerade im Denkmalbereich gilt die Alltagsweisheit: Was weg ist, ist weg. Die Entscheidungen darüber, was auf Dauer, auch für künftige Generationen, verloren geht oder nicht, dürfen sich nicht an wirtschaftlichen Interessen von Investoren orientieren, sie brauchen eine fundierte Grundlage in Form eines stimmigen, langfristigen Grundkonzepts, das als Ergebnis eines Entwicklungsprozesses im zuständigen Ausschuss unter Beteiligung von Experten und der Bevölkerung allen Betroffenen und Interessierten Transparenz und Verlässlichkeit sichert.  75 Jahre nach Kriegsende, mehr als 50 Jahre nach Beginn der Altstadtsanierung ist es angezeigt, die Bausubstanz der Nachkriegszeit auf ihren Denkmalwert bzw. auf ihre Bedeutung für das historische Stadtbild zu überprüfen und ggfs. in die Denkmalliste aufzunehmen. Gerade auch die Diskussionen um die Unterschutzstellung des Rathauses am Buttermarkt geben Anlass zu solchen Überlegungen.  Die in den vergangenen 6 Jahren vernachlässigten Bereiche und Themen sind in den Focus zu nehmen. Wie der Vortrag von Tina Hirop zu den Grabungen in Kempen belegt, muss der Bodendenkmalpflege ein besonderes Augenmerk zukommen. Schließlich sei erinnert an die unklare Zukunft des bedeutendsten profanen Denkmals der Stadt. Nachdem in etwa 2 Jahren ein Teil dokumentierter Stadtgeschichte als Stadt- bzw. Kreisarchiv Kempen in Richtung Dülken verlassen hat, braucht es ein tragfähiges, nachhaltiges Erhaltungs- und Nutzungskonzept für unsere Burg.

Möglicherweise bringt auch die Novelle des Denkmalschutzgesetzes, die kurz vor den abschließenden Beratungen steht, weitere Anlässe zur Überarbeitung der Denkmalliste und neue Aspekte in der Denkmalpflege.

Kempen mit seiner historischen Substanz, mit seinem historischen Selbstverständnis und Selbst-bewusstsein kann sich einen Denkmalausschuss als Beiwerk und Nebenschauplatz in einem Planungs-oder Bauausschuss nicht leisten. Bereits im Jahre 2015 hatten die Grünen die Entfernung der Schilder an den Ortseingängen mit dem Aufdruck „Historische Altstadt“ beantragt. Dieser Antrag wurde abgelehnt, jedoch ist zu konstatieren, dass auch in den folgenden Jahren historische Bausubstanz verloren ging und weitere Abrisse bevorstehen. Allerhöchste Zeit für einen starken, selbstbewussten und ernst genommenen Denkmalausschuss, Grund genug für Aktivitäten privater Initiativen und Vereine wie die Heimatvereine und unseren Denk mal an Kempen e. V.

 

Heinz Wiegers