Eigentlich haben es alle Beteiligten gut gemeint. Da gibt es eine Figurengruppe in einem Heiligenhäuschen, die der Verwitterung ausgesetzt ist und stark restaurierungsbedürftig erscheint. Da ist die engagierte  Ratsdame, die Spenden für die Sanierung sammelt. Da gibt es den Maler, der sich ehrenamtlich der Aufgabe des Anstrichs widmet. Und da ist last but not least der Verein, der dem Maler, der ja unentgeltlich arbeiten wollte, eine großherzige Zahlung leistet. So weit so gut, oder doch nicht. Die Rheinische Post berichtet von einem Eklat im Kempener Kulturausschuss. Dort führte die Malaktion nicht zu allseitigem Lob und gegenseitiger Anerkennung sondern zu heftigem Streit. Grund war das Ergebnis der Restaurierung, bzw. dessen, was eine Restaurierung hätte werden sollen. Die Gruppe zeigt sich nun in einem, wie man neudeutsch sagt veränderten Outfit. Maria präsentiert sich in Marienfarben, also kempschen Farbtönen. Mit den aufgemalten Sternen erinnert das Gewand an die EU-Flagge. Die beiden Engel tragen gelbe Kleider, die mit ihren grasgrünen Kragen und Säumen an das Trikot der brasilianischen Fußballnationalmannschaft denken lassen. Zu all dem drückt Maria beide Augen zu. Jenseits von Fragen des Geschmacks ist die Gruppe stark verändert, ja entstellt und hat in diesem Zustand ihre Aussagekraft als ortsgeschichtliche Quelle verloren. „Eine Kulturpolitikerin will die Figur wieder herrichten lassen, doch für die Stadt ist die Sache erledigt.“, fasst die RP zusammen.  Die Meinungen aus der Politik gehen auseinander. So erfährt man, dass die Figuren keinen historischen Wert haben, und dass die Farbgebung Geschäft der laufenden Verwaltung sei. Es wird aber auch ein Politiker zitiert, der schrecklich findet, was da passiert ist. Hier lohnt es sich in das Denkmalschutzgesetz zu schauen. Das ist schon deshalb angebracht, weil es sich bei dem Heiligenhäuschen aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. um ein Denkmal handelt. Es wurde am 27.3. 1990 mit der Nr. 139 in die Kempener Denkmalliste eingetragen. Denkmalbeschreibung: „Heiligenhäuschen der Peterstraßen-Straßengemeinschaft in Putzfassade mit geschwungenem Giebel. Darüber Kugel mit Stern; eingelassen eine Fensteröffnung; spitzbogig, in gotisierendem Stil. In der spitzbogigen Nische stehen drei vollplastische Figuren: Muttergottes auf der Mondsichel und zwei flankierende Engel aus dem späten 19. Jahrhundert.“

Das Denkmalschutzgesetz kennt verschiedene Eigenschaften, die eine Eintragung begründen. An dieser Stelle sind es sicherlich volkskundliche Aspekte, die ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und Nutzung definieren. Das Heiligenhäuschen an der Peterstr. ist wie weitere Heiligenhäuschen im Kempener Raum ein Zeugnis für die Volksfrömmigkeit im 19. Jh. Es handelt sich dabei um Volkskunst, ein höherwertiger künstlerischer Anspruch bestand nicht. Die Werke stehen auch für das Kunstverständnis und die künstlerischen Fertigkeiten, aber auch für  Techniken und Materialien, die zur Zeit der Entstehung eingesetzt wurden.  „Historische Ausstattungsstücke sind wie Baudenkmäler zu behandeln, sofern sie mit dem Baudenkmal eine Einheit von Denkmalwert bilden.“, heißt es in § 2, Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes. Eine gesonderte Betrachtung und Bewertung von Teilen des Denkmales, wie offenbar im Kulturausschuss geschehen, verbietet sich von daher. Es offenbart sich an dieser Stelle eine profunde Unkenntnis, was Denkmalschutz und Denkmalpflege betrifft. „Die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten haben ihre Denkmäler instand zu halten, instand zu setzen. sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, soweit ihnen das zumutbar ist.“ Mindestens gegen das Gebot der Sachgemäßheit wurde in diesem Fall in grober Art und Weise verstoßen. So steht es im $ 7 Abs. 1 des DmSchG und weiter in Abs. 2 : „Soweit die Eigentümer und sonstigen Nutzungs-berechtigten den Verpflichtungen nach Absatz 1 nicht nachkommen, kann die Untere Denkmalbehörde nach deren Anhörung die notwendigen Anordnungen treffen.“ Die Untere Denkmalbehörde ist in diesem Fall das Denkmalamt, das zuständige Ratsgremium der Bau- und Denkmalausschuss. Es ist festzustellen, dass die zuständigen Stellen in diesen Vorgang offenbar nicht einbezogen waren. Dabei ist in § 9 nachzulesen, dass eine denkmalrechtliche Erlaubnis hätte beantragt werden müssen. Das ist offenbar nicht geschehen, so dass nun  gem. § 27 Abs. 1 gilt: „Wer eine Handlung, die nach diesem Gesetz der Erlaubnis bedarf, ohne Erlaubnis, unsachgemäß oder im Widerspruch zu Auflagen durchführt, muss auf Verlangen der Unteren Denkmalbehörde die Arbeiten sofort einstellen und den bisherigen Zustand wiederherstellen.“ Weiter heißt es unter § 2: „Wer widerrechtlich ein Denkmal vorsätzlich oder fahrlässig beschädigt oder zerstört, ist auf Verlangen der Unteren Denkmalbehörde verpflichtet, das Zerstörte wiederherzustellen.“

Jeder Besitzer eines Denkmals weiß, wie aufwändig es sein kann, den Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht zu werden. Umso überraschter ist man, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass nicht jeder diesen Aufwand auf sich nimmt. Auf der Homepage der Stadt unter Denkmalwesen steht der prägnante, gut verständliche Satz: „Alle Veränderungen an Denkmälern sind erlaubnispflichtig.“ Darüber hinaus werden Beratung und Hilfestellung angeboten bis hin zur Information über Fördermittel. Man bietet sich seitens des Denkmalamtes als Ansprechpartner an. Leider wurde dieses Angebot im gleichen Hause nicht zur Kenntnis genommen.

In Hannover lief vor wenigen Wochen das „Schwarmkunst-Projekt“. Dabei waren Bürgerinnen und Bürger aufgerufen ein Reiterstandbild vor dem Hauptbahnhof zu bemalen. Ziel der Aktion war es, zur Auseinandersetzung mit dem Denkmal anzuregen und zu Diskussionen zu animieren. Allerdings wurde das Objekt vor der Bemalung mit einer Folie überzogen. Die Bemalung der Figuren im Heiligenhäuschen hat sicherlich für viel Aufmerksamkeit und Gesprächsstoff in Kempen gesorgt, und damit Fragen der Denkmalpflege in den Focus gerückt, womit wenigstens neben dem gezeigten Bürgersinn  ein weiterer positiver Aspekt zu vermerken wäre. Möglicherweise gilt es noch weitere sakrale Denkmäler in den Blick zu nehmen, ein Thema für den unterbeschäftigten Denkmalausschuss.

Heinz Wiegers, 17.11.2021